Viertes Netzwerktreffen im MORO Netzwerk Daseinsvorsorge und Fachwerkstatt „Digitalisierung in der Daseinsvorsorge“
Am 29./30. Oktober fand das vierte Netzwerktreffen des Netzwerks Daseinsvorsorge in Nienburg/Weser, Region Mitte Niedersachsen statt. Zentraler Bestandteil war die Fachwerkstatt „Digitalisierung in der Daseinsvorsorge - Smarte Ideen für die ländliche Region“ am 29. Oktober, die als gemeinsame Veranstaltung des Regionalmanagements Mitte Niedersachsen und des MORO Netzwerks Daseinsvorsorge durchgeführt wurde. An der Veranstaltung nahmen über 80 Akteure aus Kommunalpolitik, Verwaltung, Ehrenamt und Wissenschaft aus den Netzwerkregionen sowie aus der gastgebenden Region Mitte Niedersachsen teil. Bei der Fachwerkstatt wurden in einem Mix aus Plenumsvorträgen, parallelen Impulsforen und Fishbowl-Diskussion Instrumente, Projekte und Handlungsansätze zur nachhaltigen Sicherung der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen insbesondere durch digitale Lösungen vorgestellt und diskutiert.
Einführungsvortrag
In ihrem Einführungsvortrag „Digitalisierung und Daseinsvorsorge – Was kommt auf die Kommunen zu?“ stellten apl. Prof. Dr. Karl Martin Born und Arne Ortland von der Universität Vechta zunächst Eckdaten und Ziele des Kooperations- und Modellprojekts „Daseinsvorsorge – kooperativ, innovativ & digital – im Sulinger Land“ vor. Zudem gingen sie auf erste quantitative und qualitative Ergebnisse der Situation der Daseinsvorsorge im Sulinger Land ein. Dabei wird in der Region die „Normalversorgung“ als gewährleistet empfunden. Die Referenten stellten zudem Ergebnisse einer Befragung zu den Arten der Besorgungen und Dienstleistungen im Alltag, zu Fortbewegungsmitteln und Organisationsformen, den Bezug zu digitalen Hilfsmitteln sowie zu Verantwortlichkeiten und Rollenverständnissen bei der Sicherung der Daseinsvorsorge vor. Hinsichtlich der Herausforderungen für die Kommunen wurden die Themen „Wohlfahrtsstaat“ versus Eigenverantwortlichkeit und Digitalisierung als Hilfe zur Selbsthilfe angesprochen. Digitalisierung sollte dementsprechend nicht als Selbstzweck, sondern als Möglichkeit Bestehendes neu zu denken angesehen werden. Kommunen werden in der Verantwortung gesehen sich zu positionieren und zu entscheiden, welche Lösungen zur Region bzw. zur Bevölkerung passen. Sie sollten die digitalen Transformationsprozesse aktiv begleiten und unterstützen. Vor- und Querdenker (Early Adopter) sollten als „Zugpferde“ eingebunden werden. Die Kommune kann als Vorbild für Innovationen fungieren.
Forum 1 Smarte Dörfer / Regionen
Im Forum 1 „Smarte Dörfer / Regionen“ berichtete zunächst Ann-Kathrin Habighorst (Kreis Lippe) als Projektleiterin von Ergebnissen des Projektes „Smart Country Side“ in der Region Ostwestfalen-Lippe. Durch die Nutzung intelligenter und innovativer Lösungsansätze, die leicht bedienbar sind und auf die Bedarfe und Anforderungen der Nutzer im ländlichen Raum zugeschnitten sind, soll die Infrastruktur verbessert und die Daseinsvorsorge gesichert werden. Hierzu wurden Projekte in Modellorten in den Kreisen Lippe und Höxter in den Handlungsfeldern Mobilität, Ehrenamt, E-Health, E-Governance und E-Partizipation gemeinsam mit den Bürgern, Kooperationspartnern und Stakeholdern entwickelt und umgesetzt. Ein zentrales Prozesselement zur Ermittlung der örtlichen Bedarfe und der Entwicklung von Umsetzungsideen waren die Dorfkonferenzen. Dabei entstanden verschiedene digitale Lösungen wie z.B. „Smart Church“, „virtueller Dorfrundgang“, „Smarte Bürgerhalle“. Frau Habighorst stellte die DorfFunk-App als interne Kommunikationsplattform für ein Dorf etwas genauer vor.
Erste Erfahrungen aus einem ähnlichen Ansatz aus dem Landkreis Vulkaneifel stellte Daniel Weber, Koordinator im WEGE-Büro der Verbandsgemeinde Daun vor. Mit der Vulkaneifel-App ist bereits seit dem Frühjahr 2019 in ca. 50 Gemeinden und Ortsteilen des Kreises eine werbefreie Online-Plattform entstanden, auf der Bürger unkompliziert miteinander kommunizieren oder Vereine ihre Aktivitäten präsentieren können. Sie umfasst im Wesentlichen zwei Bereiche: eine Newsseite, auf der Gemeinden oder Vereine ihre Termine und Neuigkeiten über ihre Arbeit oder über Veranstaltungen selbst einstellen können. Für alle Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde steht die Chat-Funktion zur Verfügung. Sie ist die digitale Kommunikationszentrale in der Nachbarschaft, auf der Bürger um Hilfe bitten oder Hilfe anbieten können (z.B. Verleihen von Werkzeug, Mitfahrgelegenheiten o.ä.) Die Chats finden in einem geschützten Raum statt.
Forum 2 Smarte Logistik/Versorgung
Im Forum 2 Smarte Logistik/Versorgung stellte Frau Anja Sylvester von der LaLoG LandLogistik GmbH den Ansatz des KombiBusses als ländliches Logistikangebot für Klein- und Kleinstmengen in der Uckermark vor. Hier werden seit September 2012 in Linienbussen neben Personen zusätzlich auch Güter befördert. Sie stellte zudem Ansätze der Mikrologistik vor, bei denen es um die Verknüpfung von lokalen „Sowieso-Fahrten“ und somit um die Schließung der Transportlücken auf der letzten Meile in Kommunen geht. In diesem Zusammenhang präsentierte sie eine App, mit der drei unterschiedliche Arten von lokalen Touren geplant werden können: ÖV-Bedarfsverkehre inklusive Gütermitnahme, Ladeflächenvermittlung Dritter (z.B. Handwerkertouren, Service, Agrar) sowie private Mitnahmeverkehre für Personen.
Frau Dr. Julia Köhn CEO der PIELERS GmbH stellte eine Online-Lebensmittelplattform vor, mit der Online-Handel, Regionalvermarktung und Logistik verknüpft wird. Mit der sogenannten Markterei gibt es auch eine Plattform für ausschließlich regionale Lebensmittel – als sogenannter Online-Wochenmarkt. Die Lieferung der Produkte erfolgt dabei durch verschiedene Logistikpartner. Darunter ist neben den klassischen Logistikunternehmen auch ein Zeitungsvertrieb.
Daseinsvorsorgeatlas Niedersachsen
Dr. Stephan Löb stellte in seinem Plenumsvortrag den Daseinsvorsorgeatlas Niedersachsen vor, der in dem Forschungsprojekt „Urban-Rural-Solutions“ entwickelt wurde. Hierbei handelt es sich um ein digitales Instrument zur Unterstützung von Planungsträgern auf kommunaler, regionaler und auf Landesebene, um die Herausforderungen des demografischen Wandels hinsichtlich der Daseinsvorsorge besser zu bewältigen. Der interaktive Planungsatlas bietet einen landesweit einheitlichen Datenbestand hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung und -verteilung, der Standorte von Daseinsvorsorgeeinrichtungen wie z.B. Arztpraxen, Einkaufsmöglichkeiten, Kitas oder Schulen. Mit dem Daseinsvorsorgeatlas können Kommunen und weitere Träger öffentlicher Daseinsvorsorge recht einfach Online-Erreichbarkeitsanalysen (IV+ÖV) auf Basis aktueller Daten sowie Szenarien erstellen. Als Nutzen für die Kommunen wird erwartet, dass damit Standortentscheidungen regional abgestimmt und auf gut erreichbare Orte in der Fläche ausgerichtet werden, ÖPNV-Planungen und flexible Mobilitätsangebote (auch über Landkreisgrenzen hinweg) optimiert werden, stationäre Angebote bedarfsgerecht um mobile Lösungen ergänzt werden sowie Gunsträume identifiziert werden können, um innovative Ansätze der digitalen Daseinsvorsorge zu erproben. Der Daseinsvorsorgeatlas befindet sich derzeit noch in der Pilotphase und soll im II. Quartal 2020 auf ganz Niedersachsen ausgeweitet werden. Zudem ist an eine Ausweitung auf die benachbarten Bundesländer angedacht.
Forum 3 Gesundheit/Pflege digitalisiert
Markus Holle, Beauftragter für Zukunftsfragen, stellte ein Projekt seines Landkreises Hersfeld-Rotenburg vor, bei dem mit Hilfe des Internets und einer regionalen Informationsplattform für ältere Menschen, diese zukünftig besser vernetzt werden sollen, um in einem besseren und schnelleren Kontakt mit Familien und Freunden sowie mit dem Pflegedienst und Arzt im Landkreis Hersfeld- Rotenburg zu stehen. Unter dem Motto „Zuhause.Gut.Vernetzt“ arbeiten viele regionale Partner und Experten aus Pflege und Versorgung, der Seniorenbetreuung, Vertreter aus Handwerk und Dienstleistung, der Regionalentwicklung und ehrenamtlich Engagierte an einem Konzept für den Aufbau eines regionalen Versorgungs- und Dienstleistungsnetzwerks mit technischer Unterstützung. Hierzu werden im Haunecker Internet Café HICS Senioren-Kurse im Umgang mit den neuen Medien angeboten.
Frau Britta Blotenberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Osnabrück, berichtete von ersten Ergebnissen aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt „Dorfgemeinschaft 2.0 - Das Alter im ländlichen Raum hat Zukunft“ in der Region westliches Niedersachsen (Landkreise Grafschaft Bentheim und Emsland). In dem Projekt werden alltags- und gesundheitsbezogene Versorgungskonzepte entwickelt, erprobt und evaluiert, die Menschen in ihrer Alltagsbewältigung unterstützen sollen. Das Teilprojekt „Digitale Pflege“ zielt z.B. auf die Prävention von Pflegebedürftigkeit, auf die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens in der gewohnten Umgebung und im sozialen Umfeld durch digitale Vernetzung oder auf die Optimierung der pflegerischen Versorgung. Sie stellte ein Kooperationsprojekt zur Implementierung präventiver Hausbesuche vor. Zur Zukunftsvision des Projekts „Dorfgemeinschaft 2.0“ gehört unter anderem die Entwicklung eines Widgets für die Pflege oder eines Geschäftsmodells zur Betreuung der „Dorfgemeinschaft 2.0 Community“.
Forum 4 Arbeit/Wirtschaft
Torsten Düwel, Regionalentwickler in der Kreisverwaltung Schleswig-Flensburg, berichtete von Erfahrungen mit sog. PopUp-Coworking-Spaces auf dem Land, die im Rahmen der Initiative CoWorkLand gesammelt wurden. Dabei wurden entsprechend ausgestattete Container an temporär an verschiedenen Orten wie z.B. an Stränden, in Dorfkernen oder in Bahnhofsnähe aufgestellt, um herauszufinden auf welche Art und Weise diese Orte für einen Coworking-Space geeignet sind. Dabei wurden verschiedene Formate getestet wie klassischer Coworking-Space für Gründer oder Selbständige, Pendlerhafen mit der Zielgruppe Pendler, Workation als Verbindung von Urlaub/ Freizeit und Arbeitoder Retreat als ruhiger Rückzugsort für Projektarbeit, Klausur etc. Als nächster Schritt soll das temporäre Coworking in Leerstandsimmobilien getestet werden. Damit soll eine langfristige Nachnutzungsoption für Bestandsimmobilien, ein nachhaltiger Impuls für die Ortskernentwicklung sowie eine Verstetigung von Coworking in ländlichen Räumen erreicht werden.
Einen Erfahrungsbericht zu Coworking auf dem Land gab Verena Dillenburg (Tokunft Hus Gbr) am Beispiel Bücken. In diesem Ort mit ca. 2000 Einwohnern betreibt sie den stationären Coworking-Space Tokunft Hus. Dieser wurde mit Unterstützung der Gemeinde, der Sparkasse, von lokalen Unternehmen und dem persönlichen Umfeld Anfang 2019 im Gebäude der ehemaligen Sparkasse eröffnet. Das Tokunft Hus ist ausgestattet mit schnellem zuverlässigem Internet, zwei Meetingräumen, zwei geschlossenen Büros, fünf Arbeitsplätzen im „offenen Bereich“ sowie einem großen Eventspace z.B. für Workshops oder Yoga-Gruppen. Der Coworking-Space erfreut sich einer wachsenden Nachfrage. Nutzer bzw. Zielgruppen sind bspw. Menschen mit Anstellung an einem anderen Ort, Freiberufler, Selbständige, Menschen in digitalen Berufen, Business Reisende. Das Tokunft Hus wird zudem von einigen lokalen Unternehmen als Geschäftsadresse genutzt.
In der abschließenden Fishbowldiskussion unter dem Motto „Digitalisierung einfach machen? Wer packt‘s an? Entrepreneure, Gemeinde, interkommunale Kooperation, Landkreis?“ wurden die verschiedenen Beiträge gemeinsam reflektiert.